Camp Mantella – via Camp Marojejy – Camp Simpona

Vom Camp Mantella geht es via Camp Marojejy zum Camp Simpona

2. Tag / Mo. 04. Juni 2018

So ausgeschlafen habe ich schon lange nicht mehr! Die Nacht war ruhig, bis auf das Plätschern des nahen Wasserlaufes sowie das Zirpen der Grillen. Die Temperatur in der Hütte war angenehm, gegen Morgen etwas kühler, so dass ich ganz dankbar bin, einen leichten Daunenschlafsack dabei zu haben. Mücken gab es in der Hütte keine, was vielleicht an meinem Anti-Mücken-Spray lag, das ich vorsichtshalber aufgetragen hatte.

Da wir uns am Vorabend für heute zum Frühstück gegen 06:30 Uhr verabredet haben, mache ich ein bisschen «Katzenwäsche», ziehe mich trekkingfein an und packe schon einmal meine Sachen zusammen.

Es riecht bereits nach dem Kochfeuer…

Beim Frühstück, das ich, trotz meiner Einladung an alle, sich doch zu mir an den Tisch zu setzen, immer als Einzelne an der tischtuchbedeckten Tafel einnehme, treffen die Bauarbeiter ein, die mit selbstgefertigten Hohlblocksteinen an der Sanierung des Kochplatzes weiterarbeiten wollen.

Wir starten gegen 07:30 Uhr zum Trekking auf dem Abschnitt zu Camp Marojejy (Camp 2). Da es gestern Abend etwas geregnet hatte, ist die Luft noch feuchter als gestern. Malerisch ziehen Nebelschwaden durch die Baumwipfel.

Camp Marojejy: Waldpanorama MarojejyDer erste Pfadabschnitt verläuft wieder über Waldboden und Wurzeln sowie kleine Wasserläufe. Es wird jedoch schon etwas steiler. Zum Teil klettern wir bereits über Lehmstufen sowie Wurzeln hangaufwärts.

Da ist es doch ein willkommener Luxus, als auf einmal ein betonierter Treppenabschnitt mitten im Urwald auftaucht! Er erleichtert die Überwindung eines grösseren Hangs.

Aufgrund der Feuchtigkeit ist ein etwas unliebsamer Bewohner des Waldes aktiv, der Blutegel… Glücklicherweise sind es nur ca. 3-4 cm lange Exemplare, die einem ab und zu auf die Arme fallen oder die Schuhe hinaufkriechen. Meist bemerkt man sie, bevor sie sich festsaugen. Bei mir haben nur zwei Exemplare Erfolg. Moses zupft sie vorsichtig wieder ab. Eine kleine Bisstelle ist zu sehen. Tritt Blut aus ist es gut, dann ist der Kopf des Egels mit herausgegangen. Meine Hose sieht entsprechend aus… Fortan sprühe ich mich auch unter den Hosenbeinen mit Mückenschutz ein und trage die Hosenbeinenden in den Socken…

Gegen 10:30 Uhr erreichen wir das Camp 2 = «Camp Marojejy». Es besteht aus 3 Hütten, einer überdachten Küchen- und Essplatz-Plattform sowie einem Wasch- und Toilettenhaus. Die Ausstattung der Hütten ist identisch mit der in Camp 1.

Hier erfolgt nur eine kurze Verschnaufpause mit Tee, Schokolade und Erdnussriegeln.

Camp Marojejy: SeidensifakaGuide Moses «ruft» derweil die Seidensifakas. Sie scheinen in der Nähe, zwischen Camp Marojejy und Camp Simpona, zu sein. Es wird beschlossen, dass wir weiterlaufen und schauen, ob die Seidensifakas auffindbar sind. Später soll es dann direkt zu Camp 3 weitergehen.

Wir laufen zuerst alle gemeinsam los und sichten, nach ca. 1 Std. eine Gruppe von Seidensifakas etwas abseits des Pfades. Ich zücke sämtliche Kameras und habe ausreichend Zeit, die kuscheligen Fellknäuel zu beobachten und zu filmen.


Seidensifaka (Propithecus candidus)

Der Seidensifaka ist eine Primatenart aus der Familie der Indriartigen. Wie alle Lemurenarten, ist er nur in Madagaskar zu finden, insbesondere in der Region SAVA und zum grössten Teil im Gebiet des Marojejy Nationalparks, da er gebirgige Regenwälder in Höhen von 700-1’600 m üNN als Lebensraum benötigt. Leider ist der Seidensifaka vom Aussterben bedroht und es leben wohl nur noch ca. 250 adulte Exemplare.


Wir lassen die Seidensifakas in Ruhe weiterfressen und setzen unseren Weg in Richtung Camp 3 fort. Jetzt wird es wirklich steil. Trittstufen von über 80 cm Höhe müssen irgendwie überwunden werden…. Wir klettern über Baumwurzeln hangauf, hangab, hangauf…

Schon bald, bei ca. 800 m, wird die erste Vegetationsstufe des niederen, immergrünen Regenwaldes verlassen und die zweite Stufe der insgesamt vier Stufen am Marojejy erreicht. Es ist die des dichten Bergregenwaldes, der bis auf 1’400 m üNN hinaufwächst. Kühlere Temperaturen und zunehmend verarmte Böden lassen in dieser Region des Marojejy nur noch kleinere Bäume und Sträucher aufkommen. Hier ist die Blätterhaube niedriger, nur 18-25 m hoch. Sträucher, Waldbodenarten und Epiphyten nutzen die höheren Lichtwerte aus, und die hohe Luftfeuchtigkeit fördert das Wachstum von Moosen und Farnen. Kein Wunder, erinnert mich der Geruch hier oben irgendwie an Heide und Moore…

Wir erreichen einen lichteren Punkt am Hang und legen eine Pause ein. Puh, das tut gut! Ich lade nochmal Kühlwasser in mein System…

Camp Marojejy: Blick auf Umgebung MarojejyMoses wird derweil auf eine weitere Gruppe von Seidensifakas aufmerksam, die ca. 20 m von uns entfernt in den Bäumen turnen. Von einem einigermassen trittsicheren Standort aus ist eine weitere Beobachtung möglich, was für den letzten Wegabschnitt heute motiviert.

Gegen 13:30 Uhr erreichen wir dann die hölzerne Aussichtsplattform unterhalb von Camp 3 und werden mit einer phantastischen Aussicht auf die Umgebung und die Gipfelregion des Marojejy belohnt.

Schliesslich, nach einem weiteren anspruchs-vollen Wegabschnitt kommen wir im Camp 3 = «Camp Simpona» an. Es liegt auf 1250 m üNN und besteht aus 2 Hütten, einer überdachten Küchen- und Essplatz-Plattform sowie einem Wasch- und Toilettenhaus. Die Ausstattung der Hütten gleicht der in Camp 1 und 2.

Das ist für mich der Gipfel! Ich bin platt! Bereits auf dem letzten Streckenabschnitt habe ich beschlossen, dass dies für mich der höchste Punkt am Marojejy sein wird, den ich erreiche.

Die mindestens drei Stunden Aufstieg zum Gipfel auf 2132 m üNN, gefolgt von den 3,5-4 Std. Abstieg zu Camp 3 und eventuellem Weiterabsteigen zu Camp 2 morgen werden ich mir «schenken». Meine Beine sind müde und ich merke meine Knie. Da keine Zeit zur weiteren Regeneration ist, werde ich den Tag morgen, ganz nach madagassischer Art, «mora mora» angehen…

Vielleicht entscheidet ein Grossteil der Wanderer am Marojejy so. Warum sonst werden es von Camp zu Camp weniger Hütten…?

Camp Marojejy: RingelschwanzmungoDen beiden Ringelschwanzmungos, die uns bereits seit Camp 1 begleiten und immer wieder zum Essen an den Kochstellen der Camps erscheinen, scheint der Aufstieg auf jeden Fall nichts auszumachen. Sie scharwenzeln auch heute wieder pünktlich zum Mittagessen gegen 14:45 Uhr im Camp umher.

Tomaten-Gurken-Rübli-Salat mit Ei, Crevetten-bällchen mit Gemüse sowie Pilzen, einen extra grossen Löffel Reis und ein kühles Karamell-Joghurt – köstlich! Heute könnte ich noch einen 4. Gang gebrauchen…

Das ist dann aber der, nach dem Essen, zum Waschen und Ausruhen in der Hütte. Ich döse in die Dämmerung hinein…

Gegen 18:30 Uhr Abendessen.

Es ist recht kühl geworden, ca. 15°C. Hier am Marojejy, wie auf den meisten Bergen, nimmt die Temperatur mit der Höhe natürlich ab.

Ich wundere mich, dass Nona, der Träger, immer noch in Flip-Flops, Shorts und T-shirt herumläuft. Moses und Dolph haben Jacken, lange Hosen und feste Schuhe. Entweder hat er nicht bedacht, dass es kühl wird oder er hat nichts anderes zum Überziehen. Unten in den Dörfern ist es ja wärmer. Mein mütterlicher Instinkt schenkt ihm mein wollenes, langärmliges Funktionsshirt. Er bedankt sich mit Handschlag und trägt es fortan jeden Abend.

In dieser Nacht wird er derjenige sein, der in der zweiten Hütte schläft. Moses und Dolph wollen auf einer Matratze, geschützt mit vielen Decken, auf der Küchenplattform draussen schlafen. Ob aus Platzgründen – die Hütte hätte eigentlich vier Betten – oder aus den Gefühl von Freiheit und Abenteuer heraus, erschliesst sich mir nicht. Ich hoffe, sie holen sich keinen Schnupfen…!

Gegen 20:00 Uhr höre ich die beiden von meiner Hütte aus noch sprechen und lachen und versinke dann in tiefen Schlaf.

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