Madagaskar: Corona in Tamatave

Corona in Tamatave

Die junge Studentin Françoise kennen wir seit vielen Jahren. Sie studiert an der Universität in Tamatave / Toamasina und zwar sehr erfolgreich. Aufgewachsen ist sie in einem kleinen Dorf an der Küste des Indischen Ozeans. Wir von der PRIORI unterstützen sie, indem wir ihre Texte bezahlen.


Corona in Tamatave
GEFANGEN BEI MEINER FAMILIE

(2. Juni 2020) Das Corona-Virus hat die Welt heimgesucht, es ist ein Virus, das gefährlich ja sogar tödlich ist und die Welt in eine Gesundheits- und Wirtschaftskrise gestürzt hat.

Madagaskar gehört zu den von diesem Covid-19 Virus betroffenen Ländern, insbesondere in der Hauptstadt und anderen grossen Städten. Die Regierung hat Massnahmen ergriffen, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern, indem die meisten Städte abgeriegelt, Strassen gesperrt und der Schulbesuch eingestellt wurden.

Als meine Schwester und ich von diesen Massnahmen hörten, fuhren wir nach Hause zu unseren Eltern aufs Land, es ist ein ruhiges Dorf in der Nähe von Tamatave am Meer, aber doch weit weg von der Stadt und ausserdem ist es noch nicht vom Virus befallen. Also ist es beruhigender, dorthin zurückzugehen – es gibt ohnehin nichts Besseres, als in einer Zeit wie dieser bei der eigenen Familie zu sein. Am Anfang waren die Behörden weniger streng in Bezug auf die Vorschriften gegen dieses Virus, man konnte ohne Maske hingehen, wohin und wann immer man wollte, so dass alle weiterhin auf den Feldern arbeiteten und ihre üblichen Aufgaben erledigen konnten. Wenn meine Familie auf die Felder zur Arbeit geht, gehe ich meinerseits auch dorthin, um ihnen zu helfen. Aber bevor ich gehe, stehe ich am frühen Morgen mit meiner Mutter auf, um ihr beim Herstellen der Beignets zu helfen (mofo baolina und Bajia sind salzige Küchlein aus Bohnen), die meine Schwester dann auf dem Markt verkauft. Dank des Geldes, das sie einnimmt können wir essen oder Reis und Dinge für den täglichen Bedarf kaufen. Mit anderen Worten, dank dieser Beignets, die meine Mutter herstellt, verdient meine Familie ihren Lebensunterhalt.

Corona in Tamatave
Es ist wirklich eine Krise, denn die Dorfbewohner verdienen ihren Lebensunterhalt durch die Fischerei und durch die Erträge der Landwirtschaft. Leider sind die Strassen während dieser Gesundheitskrise gesperrt, so dass keine Käufer kommen, um die Fische zu kaufen. Kein Fischverkauf bedeutet kein Geld! Dazu kommt, dass noch nicht Reiserntezeit ist. Das Leben ist also wirklich hart. Auch können wir nicht alle unsere Beignets verkaufen, so dass wir das was wir noch haben, teilen müssen.

In einer Zeit wie dieser gibt es immer einige, die die Situation ausnutzen, um ihre eigenen Taschen ohne Skrupel zu füllen.  Die Preise der Grundnahrungsmittel wie Reis, Öl, Zucker, Kaffee…  sind um mehr als 30% gestiegen. Aber glücklicherweise erhielt ich Hilfe von einigen guten Menschen, damit kann ich meiner Familie helfen, indem ich Nahrungsmittel oder Dinge, die wir täglich brauchen, einkaufe.

Nach einiger Zeit wurden die Behörden immer strenger: An den Vormittagen lassen sie die Leute nach draussen gehen, aber nachmittags müssen alle zu Hause bleiben. Darum stehen meine Mutter und ich sehr früh auf, um die Beignets zu machen, denn wir müssen diese verkaufen, bevor die Leute aufs Feld gehen, denn jeder hat nur den Morgen, um seine Arbeit zu erledigen.

Jeden Nachmittag nutze ich die Zeit, um meine Schwester und meinen Bruder und seine Klassenkameraden zu unterrichten. Später sitze ich dann vor meinem Computer, um meinen Praktikumsbericht zu schreiben. Und jeden Abend schauen wir auf meinem Computer einen Film an. Ein Tag gleicht dem anderen während dieser Gefangenschaft.

mehr Texte der Studentin Françoise finden sich in der Kategorie Leben als Studentin

Print Friendly, PDF & Email