Studieren in Madagaskar, unabhängig von den Eltern

Der Beginn eines Studiums oder das Studieren in Madagaskar allgemein kann eine signifikante Veränderung im Alltag eines jungen Menschen bewirken, wie z. B. das Verlassen des Elternhauses.

Studieren in Madagaskar: Ob freiwillig oder zwangsweise, wenn die nächste Universität weit vom Elternhaus entfernt liegt, sind viele Studenten plötzlich gezwungen, den Schutz und die Geborgenheit der Familie zu verlassen und zum ersten Mal allein zu leben.

Ich wuchs an der Ostküste Madagaskars auf und es war Zeit für mich mein «Nest» zu verlassen. Es fühlte sich an wie ein Abenteuer, das begann, mir aber neben grosser Freude auch Sorgen bereitete.

Von unserer Kleinstadt aus, ging es also zur Hafenstadt Tamatave, welche ebenfalls an der Ostküste Madagaskars liegt.

Wie die meisten meiner Mitstudenten/innen auch, studiere ich gerne und werde alles tun, um erfolgreich zu sein und um meine Ziele zu erreichen.

So kann ich sagen, dass es häufig überhaupt nicht einfach ist zu studieren. Besonders, wenn man plötzlich gezwungen ist, seinen Alltag allein zu bezwingen und die Eltern nicht in der Lage sind einen finanziell zu unterstützen. Und so geht es mir eben auch! Nach dem Abitur im Jahr 2015 ging ich an die Universität, um zu studieren. Hierbei habe ich mich für das Hauptfach Französisch entschieden. Zum einen, weil ich Sprachen liebe und ich meine Kenntnisse verbessern möchte und zum anderen, weil ich gleichzeitig auch Englischkurse besuchen kann.

Zuerst lebte ich bei meiner Tante und ihrem Mann, aber sie mussten in eine andere Stadt ziehen. Dann musste ich selbst ein Haus mieten, ohne jedoch genau zu wissen, welche Herausforderungen und Verpflichtungen auf mich warten würden. So musste ich mir neben meinem Studium zunächst einen Job suchen, um meine Miete und mein Essen bezahlen zu können, da meine Eltern mir, wie gesagt, finanziell nicht unter die Arme greifen können. So bin ich derzeit Kellnerin in einem kleinen Restaurant.

Nun war es an der Zeit, neue Aufgaben zu übernehmen, als nunmehr Alleinlebende erforderte es meinen Alltag anzupassen. Zuerst war es etwas beängstigend, ich fühlte mich allein gelassen und war ganz auf mich allein gestellt. Doch auch an diese neue Situation gewöhnte ich mich schnell.

Ich entdeckte die Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die mit meinem neuen Zuhause verbunden waren. Notwendig waren zunächst meine Studienzeit, Hausarbeit und Arbeit in Einklang zu bringen. Eine eigene Wohnung zu haben, bedeutete auch, zu lernen, ein Budget zu verwalten, welches oft sehr knapp war, vor allem für Mahlzeiten und die Miete. Ich stand vor dem Unbekannten und Unvorhersehbaren sowie vor Problemen, die in Madagaskar jederzeit passieren können, wie ein Stromausfall zum Beispiel.

Aber es war auch keinesfalls einfach den Alltag zu bezwingen, ganz allein zu leben, wenn man gleichzeitig arbeiten und studieren sollte.  So musste ich an alles selbst denken, wie man Essen zubereitet und sich dieses auch täglich leisten kann. Dann auch darauf zu achten, wie ich mein Geld, das bereits knapp vorhanden ist, für einen Monat vernünftig zu verwalten und zu versuchen, es nicht für etwas Nutzloses auszugeben. So dachte ich auch darüber nach mit dem Fleischessen aufzuhören, einfach um Kosten einzusparen und so ist es auch Tatsache, dass man manchmal auf Nahrung oder eine Mahlzeit verzichten muss, um Geld zu sparen.

Tagsüber besuche ich meine Studienkurse an der Universität in Tamatave und abends bin ich bis 21 Uhr bei der Arbeit. So sieht mein täglicher Tagesablauf aus, ausser wenn meine Prüfungen anstehen, dann arbeite ich nur am Wochenende.

Studieren in Madagaskar: Busstation-Taxi-Brousse-Tuk-Tuk-Madagaskar-PRIORI-ReisenAm Morgen vor jeder Prüfung stehe ich sehr früh auf, um meine Mahlzeiten (Frühstück und Mittagessen) für den Tag zuzubereiten. Da mein Zeitplan am Tag sehr straff getaktet ist, muss ich alle meine Mahlzeiten auf einmal zubereiten. Dies liegt auch daran, dass das Haus, in dem ich wohne, sehr weit von meiner Universität entfernt liegt. So habe ich einen Fussweg von ca. 40 Minuten pro Strecke.

Ich würde gerne den Bus nehmen, aber es gibt keine Haltestelle nahe der Universität, daher ergibt sich diese Möglichkeit für mich nicht. Manchmal würde ich gerne ein Tuk-Tuk nehmen, weil ich einfach müde bin, aber die Kosten betragen 1000 Ariary (ca. 30 Cent) pro Weg und angesichts meiner finanziellen Situation, kann ich mir dies nicht leisten und spare das Geld lieber für etwas Wichtigeres.

Manchmal bringe ich auch an einem gewöhnlichen Wochentag mein Mittagessen mit zur Universität, denn am Morgen dauern unsere Kurse 4 Stunden und gehen am Nachmittag auch recht lange, sodass ich meistens keine Zeit mehr habe, vor der Arbeit nach Hause zu gehen. So ist es nicht selten, dass ich keine warme Mahlzeit essen kann am Tag. Gleich nach der Schule, gegen 17:00 Uhr, nehme ich den Bus zu meiner Arbeitsstelle.

Wenn ich dort ankomme, mache ich mich sofort an die Arbeit, weil meine anderen Kollegen meist schon vor mir da sind. So bedienen wir viele Kunden und es bleibt in der Regel keine Zeit, sich mal kurz eine Pause zu gönnen.

Wenn das Restaurant dann um 21:00 Uhr schliesst, gehen wir alle nach Hause. Es gibt dann bereits ein Tuk-Tuk, das auf uns wartet und uns alle nach Hause bringt. Gegen 21:30 Uhr erreiche ich dann mein Zuhause, zünde zunächst das Feuer an, koche etwas Wasser, um mich ein wenig aufzuwärmen und stelle mich in der Zwischenzeit einer kleinen Revision meiner Notizbücher für die Schule. Dann nehme ich eine Dusche und gehe gegen 22:30 Uhr oder später ins Bett.

Dieser Zustand, Tag ein Tag aus, stellt für mich ein Leben, ohne die Hilfe und Unterstützung meiner Eltern, ohne Zeit für Spass und meine Freunde dar. Vor allem, wenn man allein lebt, unterscheidet es sich von dem, was man gemeinsam mit seinen Eltern hatte. So ass ich das, was meine Eltern bereitstellten und musste mich nicht um die Bewältigung aller Aufgaben allein kümmern.

Kurz gesagt, das Studieren in Madagaskar und mein neues Leben sind nun wie ein Abenteuer, das ich jeden Tag neu entdecken muss. Ganz nach dem Motto «Du musst leiden, um schön zu sein». Um erfolgreich zu sein, musst du auf alles vorbereitet sein und wissen, wie man mit Herausforderungen umgeht…

Betsy

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