Archiv der Kategorie: Leben als Studentin

Die junge Studentin Françoise wuchs in einem Dorf an der Küste des Indischen Ozeans auf. Jetzt studiert sie an der Universität in Tamatave / Toamasina und berichtet über ihr Leben in Madagaskar.

Madagaskar: Tamatave und die Zyklon-Gefahren

Madagaskar: Tamatave und die Zyklon-Gefahren

Da Madagaskar eine grosse Insel im Indischen Ozean ist wird sie jedes Jahr von Wirbelstürmen bedroht. Die am stärksten betroffenen Gebiete sind der Norden Madagaskars und die Ostküste, wo sich auch Tamatave befindet. Die Menschen, die in Tamatave leben, bereiten sich immer auf das Schlimmste vor, wenn bekannt wird, dass sich im westlichen Indischen Ozean ein Zyklon bildet.

Madagaskar: Tamatave und die Zyklon-Gefahren
Die Zyklonsaison dauert vom Januar bis in den Mai, und man weiss nie lange im Voraus, wann sie “angreifen“. Manchmal wird Madagaskar im Laufe eines Jahres zwei- oder dreimal von Zyklonen getroffen, und einer von ihnen zieht dann mit grosser Wahrscheinlichkeit über Tamatave. Die Region um Tamatave (Toamasina) liegt auf Meereshöhe und kann daher sehr leicht überschwemmt werden wenn heftige Regenfälle über Stunden fallen. Auch wenn die Bewohner über die Gefahren eines aufziehenden Zyklons gut informiert und auch mobilisiert wurden und sie glauben, gut vorbereitet zu sein, ist Tamatave nach dem Durchzug eines Wirbelsturms oft zerstört. Überall gibt es sind Schäden, die Hälfte der Einwohner ist betroffen; fast alle Häuser sind beschädigt, besonders die Holzhäuser der Bewohner im unteren Bezirk. Gebäude, Infrastrukturen sind reparaturbedürftig, und oft ist ein ganzer Bezirk völlig überflutet.

Madagaskar: Tamatave und die Zyklon-Gefahren
Vor einigen Jahren wütete ein Zyklon an der Ostküste Madagaskars, ich und meine Familie gehörten zu den Opfern, es war nicht das erste Mal, dass wir diese Situation erlebten. Es war eine schlimme Erfahrung, denn wir verloren in wenigen Minuten alles was wir hatten, unser Haus wurde zerstört, all unsere Geräte und unsere Ernte wurden während dieses Wirbelsturms ruiniert. Glücklicherweise zogen wir in eine Schule um, als die Medien den Hurrikan-Alarm ankündigten, denn dies war der einzige sichere Ort, an dem wir während dieser Katastrophe Schutz finden konnten. Es war nicht leicht, in einer solchen Situation zu leben, wir mussten unser Haus nur mit unseren Händen wieder aufbauen, und nach einem Zyklon ist es immer schwierig, Nahrungsmittel zu finden. Und selbst wenn man Nahrung findet, ist sie sehr teuer. Wir erhielten zwar Unterstützung von der Regierung, aber das reichte nicht aus. Und diese Hilfe ist ja nur vorübergehend, also mussten wir mit dem leben, was wir hatten.

Madagaskar: Tamatave und die Zyklon-Gefahren
Kurz gesagt, es ist gar nicht so einfach, in einem tropischen Land zu leben, besonders wenn man an der Küste lebt, denn man kann jederzeit mit Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Zyklonen konfrontiert werden.

Françoise / 17. Juli 2020

Madagaskar: Der Nationalfeiertag und ich

Madagaskar: Der Nationalfeiertag und ich

Der 26. Juni ist ein historisches Datum für das gesamte madagassische Volk, es ist die Feier des Unabhängigkeitstages, er wird auch Kindertag genannt. Am Nationalfeiertag an dem alle feiern ist alles erlaubt. Wir sehen fast alle Arten von Festen mit Tänzen und Lieder, immer steht die madagassische Kultur im Mittelpunkt. Am Vorabend des Festes findet der Laternenkarneval statt, und das ist für alle, vor allem für die Kinder, der grösste Spass.

Madagaskar: Der Nationalfeiertag und ich
In diesem Jahr konnte ich wegen der Pandemie nicht wie jedes Jahr den Nationalfeiertag feiern, weil während dieser Gesundheitskrise alle Arten von Feierlichkeiten verboten waren. Ich war bei meiner Familie auf dem Land. Es war sehr schön für mich, bei meiner Familie zu sein, auch wenn es keine Feierlichkeiten gab. Doch jeder tat sein Bestes, um diesen Tag zu etwas Besonderem zu machen, auch wenn er nicht wie üblich war. Meine Familie und ich assen mit unseren Nachbarn. Während eines solchen Festes bereiten die Jungen in der Familie die Mahlzeiten zu, während die Älteren warten und miteinander reden. Es war kein grosses Fest, es gab nur ein paar kleine Dinge zu essen und zu trinken. Auch wenn es kein grosses Festmahl war, aber wir teilten und das war die Hauptsache. Teilen stärkt unsere Solidarität und unsere Freundschaft als Nachbarn.

Auf dem Land sind Solidarität und Respekt immer noch sehr stark ausgeprägt, so dass an den Nachmittagen von allen Festtagen die “Alten“ des Dorfes besucht werden, um sie um ihren Segen zu bitten. Aus Respekt überreichen wir ihnen Geschenke wie alkoholische oder nicht alkoholische Getränke und/oder einen Hahn. Dies ist eine Möglichkeit, ihnen unseren Respekt zu erweisen und auch die Solidarität zwischen den Familien des Dorfes zu stärken. Also ging ich am Nachmittag des Nationalfeiertags zu einigen Freunden, um ihre Eltern zu begrüssen und ihnen Getränke zu bringen. Und dann am Abend, als wir eigentlich Laternenkarneval machen sollten, sahen wir uns mit der ganzen Familie und unseren Nachbarn einen Film auf meinem Computer an.

Madagaskar: Der Nationalfeiertag und ich
Es war wirklich schön an diesem Tag, obwohl er nicht richtig gefeiert wurde, ich hatte trotzdem eine gute Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden. Ich freute mich, die glücklichen Gesichter der Dorfbewohner zu sehen. Selbst zwei Tage nach dem Nationalfeiertag feierten einige weiter und besuchten ihre Familien, die weit weg wohnen.

Vielleicht werden die Feierlichkeiten im nächsten Jahr angenehmer sein wenn diese Gesundheitskrise überstanden sein wird.

Françoise / 17. Juli 2020

Als Studentin an einer Universität in Madagaskar

ALS STUDENTIN AN EINER UNIVERSITÄT IN MADAGASKAR

Die junge Studentin Françoise kennen wir seit vielen Jahren. Sie studiert an der Universität in Tamatave / Toamasina und zwar sehr erfolgreich. Aufgewachsen ist sie in einem kleinen Dorf an der Küste des Indischen Ozeans. Wir von der PRIORI unterstützen sie, indem wir ihre Texte bezahlen.


ALS STUDENTIN AN EINER UNIVERSITÄT IN MADAGASKAR

(10. Juni 2020) Nachdem man in Madagaskar das Abitur bestanden hat, ist es an der Zeit, sich zu entscheiden, wo man studieren möchte. Als Abiturient ist man kein Kind mehr, und einmal an einer Uni eingeschrieben zu sein, bedeutet, dass man seine Zukunft gestaltet und zwar mit dem, was man einmal tun wird. In Madagaskar gibt es sechs öffentliche Universitäten wissenschaftlicher, kultureller und beruflicher Art und jedes Jahr schreiben sich mehr als 5000 Studierende an jeder Universität ein.

Warum wenden sich junge Menschen mit einem Bachelor-Abschluss an die Universität? Als öffentliche Einrichtung zieht die Universität Studierende wegen ihrer tieferen Studiengebühren an. Sie sind viel niedriger als die von privaten Einrichtungen. Nur Studierende von reichen Eltern können sich diese leisten. Ein Studierender an der Universität von Madagaskar zu sein, ist nicht einfach, ja, es ist wahr, Universitätskurse sind nicht einfach, aber der materielle Mangel macht sie noch schwieriger, auch wenn die madagassische Regierung Anstrengungen unternimmt, die Situation zu verbessern. Bei der Einschreibung an der Universität muss ein Formular ausgefüllt werden, mit dem man sich um ein Stipendium sowie um eine Unterkunft bewerben kann, wenn man auf dem Universitätscampus wohnen möchte.

ALS STUDENTIN AN EINER UNIVERSITÄT IN MADAGASKAR
In meiner Universität gibt es jedes Jahr mindestens zwei Demonstrationen, wegen der Erhöhung der Preise für das Wohnrecht sowie wegen der verspäteten Zahlung von Stipendien oder dann Demonstrationen von denjenigen, die nicht auf der Stipendienliste stehen, und zu allem Überfluss gibt es die Streiks der Professoren wegen der Nichtzahlung ihrer Forschungsgelder, all das erlebt man, wenn man Student in Madagaskar ist.

Madagaskar könnte gute Hochschulabsolventen haben, wenn der Staat Geld in den Bereich der Hochschulbildung investieren würde, und wenn er Gelder und Material gemäss den Bedürfnissen der Professoren und ihrer Forschungsprojekte sprechen würde. So wären die akademischen Ergebnisse erfreulich. An meiner Universität „Universität von Toamasina“ ist eine Unterkunft für ein akademisches Jahr wirklich zu teuer, es ist doppelt so teuer wie an anderen Universitäten in Madagaskar. In einem 4 m2 grossen Raum sind 4 Studierende untergebracht, aber die Infrastruktur ist schlecht, es gibt keinen Unterhalt und keine Renovationen, weshalb die Studenten jedes Jahr streiken. Jungen und Mädchen werden zum Teil im gleichen Zimmer untergebracht, denn es gibt kein Reglement. Aber schliesslich liegt es an den Studierenden, zu wählen, was gut oder schlecht für sie ist.

Darüber hinaus sind die Stipendien sehr gering, man kann es kaum ein Stipendium nennen, denn das Geld, das wir erhalten, reicht nirgends hin. Und vor allem ist die Zahlung immer sehr spät, meist erst sechs Monate nach Beginn des Schuljahres. Darum ist es nicht verwunderlich, dass den Studenten das Geld ausgeht und sie nicht mehr in den Vorlesungen erscheinen. Die madagassischen Studenten stammen fast alle aus armen Familien, aber sie wollen im Leben kämpfen, um aus der Armut herauszukommen, und sie sind auf das Stipendium angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Viele Studierende brechen das Studium ab, wenn sie noch nicht einmal das zweite Jahr erreicht haben. Das Leben in der Stadt ist eben gar nicht so einfach, weil alles bezahlt werden muss.

ALS STUDENTIN AN EINER UNIVERSITÄT IN MADAGASKAR
Und noch immer, auch im Jahr 2020 ist die Ausrüstung an der Universität hier in Tamatave / Toamasina nicht ausreichend. Es gibt noch immer kein Internet-Netzwerk an meiner Universität. Wenn man also forschen will, muss man ins Cybercafé gehen, und hier ist die Recherche manchmal nicht einfach, man muss lange dort bleiben oder mehrmals zurückkommen, und wir zahlen den Zugang aus unserer Tasche. Glücklicherweise hat das Bildungsministerium das berühmte „WIFI“ mit „Hochgeschwindigkeitsnetz“ eingerichtet, aber das war nur am Anfang so, denn nach ein paar Monaten lief schon nichts mehr. Es gibt auch nicht genügend Bücher, um zu recherchieren. Wir finden in der Bibliothek keine Werke des jetzigen Jahrhunderts, sondern nur alte Ausgaben von 19-hundert-irgendwann.

Die Bildungssysteme sind jedoch recht gut, und auch die Didaktik, die die Professoren anwenden, ist wirklich interessant, weil sie die Studenten dazu drängt, zu forschen und ein vielseitiger und guter Organisator zu sein.

Kurz gesagt, um ein Studierender an der Universität von Madagaskar zu sein, muss man autonom sein und eine gute Disziplin und Lebendigkeit haben, sonst wählt man die Option „Verzicht“, denn der Erfolg hängt nur von einem selbst ab. Schwierigkeiten überwinden, stets das Ziel im Auge behalten, das ist das Wichtigste, das ich gelernt habe.

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Madagaskar: interethnischer Rassismus

INTERETHNISCHER RASSISMUS IN TAMATAVE

Die junge Studentin Françoise kennen wir seit vielen Jahren. Sie studiert an der Universität in Tamatave / Toamasina und zwar sehr erfolgreich. Aufgewachsen ist sie in einem kleinen Dorf an der Küste des Indischen Ozeans. Wir von der PRIORI unterstützen sie, indem wir ihre Texte bezahlen.


INTERETHNISCHER RASSISMUS IN TAMATAVE

(09. Juni 2020) Jeder glaubt, dass die Welt wirklich entwickelt ist und niemand sieht, was vor seinen Augen geschieht, oder vielleicht schliessen die Menschen ihre Augen, um die Realität nicht zu sehen. Rassismus ist eines der Dinge, die die Entwicklung einer Nation oder eines Landes hemmt, doch Rassismus existiert überall auf der Welt. In Madagaskar sehen wir nicht viel Rassismus aufgrund der Hautfarbe, sondern vor allem wegen ethnischer Segregation. Die genaue Situation in den anderen Provinzen kenne ich nicht, ich spreche vom Rassismus in Tamatave.

Wie in den anderen Provinzen finden wir in Tamatave fast alle achtzehn ethnischen Gruppen, sei es weil sie hier arbeiten oder einfach weil sie sich hier niedergelassen haben; und jede ethnische Gruppe lebt im gleichen Quartier, weil sie sich als Familie betrachtet, auch wenn sich nicht alle kennen, aber die Hauptsache ist ihre Zusammengehörigkeit, sie ist notwendig, solange sie “Ausländer“ an einem Ort sind. So zeigt sich überall in Tamatave eine gewisse Feindseligkeit gegenüber anderen ethnischen Gruppen, sei es auf der Ebene der Gesellschaft, in der Schule oder bei der Arbeit… sie nimmt auch die Form von Fremdenfeindlichkeit an.

INTERETHNISCHER RASSISMUS IN TAMATAVE
Ich beschreibe ein konkretes Beispiel einer Ethnie, die in Tamatave lebt, die „Antandroy“ (eine Ethnie, die aus dem Süden Madagaskars stammt), und diese Ethnie ist hier die am stärksten diskriminierte von allen, nur wenige Menschen sprechen mit ihnen. Man sagt, sie seien sehr böse, weil sie mit einem Messer in der Tasche herumlaufen, ihre Sprache sei unverständlich und sie seien seltsam, weil ihre Kultur sich sehr von denen der anderen unterscheidet. Aus diesem Grund werden die Menschen der Antandroy in der Gesellschaft abgesondert, wenn ihnen etwas passiert ist, sei es gut oder schlecht, kommen die anderen nicht auf sie zu, und niemand wagt es, in ihre Nachbarschaft einzudringen, ich glaube, sie sind von allen anderen isoliert. Doch diese Art von Haltung ist eigentlich völlig gegen die übliche madagassische Sitte. Die Antandroy können sich auch nicht mit Mitgliedern anderer ethnischen Gruppen verheiraten, die Eltern würden das nie akzeptieren, selbst wenn ihre Kinder sich sehr geliebt haben, denn da sie wissen, dass sie von der Gesellschaft diskriminiert werden, akzeptieren die Antandroy niemals die Vereinigung ihrer Kinder mit anderen sozialen Gruppen.

Die Antandroy kommen nach Tamatave, um Arbeit als Rikschafahrer oder Obstverkäufer oder etwas anderes zu finden. Wenn sie eine andere Arbeit suchen, stellt sie kaum jemand an. Aber selbst als Rikschafahrer haben sie es schwer, denn die Leute wollen nicht von einem Antandroy gezogen werden. Sie sagen dann, die Fahrt sei zu teuer und man könne nicht mit ihnen verhandeln. Darum sind viele von ihnen zu Dieben und Einbrechern geworden, weil sie arbeitslos sind; je mehr man sie diskriminiert, desto mehr fühlen sie sich anders, und selbst wenn sie weit von dem entfernt sind, was man denkt, aber sie wissen um die schlechten Gedanken der anderen. So müssen sie ja wütend werden, wenn sie all die schlechten Dinge hören, die die Menschen über sie denken?

INTERETHNISCHER RASSISMUS IN TAMATAVE
Doch diese ethnische Gruppe vereint sich sehr stark untereinander, sie helfen sich gegenseitig, wir sehen die Stärken und Freundschaften zwischen ihnen bei Veranstaltungen wie Feiern oder Trauer.

Aber ich glaube, Rassismus ist heutzutage nicht mehr in Mode. Diese Haltung gilt nur für Menschen, die noch im Dunkeln tappen oder für unwissende Menschen, die sich nicht entwickeln wollen. Entwicklung liegt in der Vereinigung der Menschen, denn je mehr wir uns vereinigen, desto mehr entwickeln wir uns und unser Land.

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Madagaskar Corona: leben in der aktuellen Situation

Madagaskar Corona: leben in der aktuellen Situation in Tamatave

Die junge Studentin Françoise kennen wir seit vielen Jahren. Sie studiert an der Universität in Tamatave / Toamasina und zwar sehr erfolgreich. Aufgewachsen ist sie in einem kleinen Dorf an der Küste des Indischen Ozeans. Wir von der PRIORI unterstützen sie, indem wir ihre Texte bezahlen.


Madagaskar Corona: leben in der aktuellen Situation
(03. Juni 2020) Tamatave / Toamasina liegt an der Ostküste von Madagaskar. In Tamatave zu leben ist im Moment nicht einfach, vor allem wegen der Einschränkungen. Tamatave ist eine der grossen Städte, die am stärksten vom Corona-Virus in Madagaskar betroffen ist, mit vielen Infizierten und es werden von Tag zu Tag mehr. Und es ist die Stadt mit den meisten Todesopfern. Die Stadt ist sehr gross und hat viele Einwohner, so dass es für die Behörden anfangs schwierig war, die Menschen daran zu hindern, ihre Häuser zu verlassen.

Wegen meines Studiums war ich gezwungen, nach Tamatave zurückzukehren, die Universität schickte mir eine Nachricht über die Wiederaufnahme der Vorlesungen, also ging ich wieder zurück in die Stadt. In der ersten Woche meiner Ankunft war die Situation noch erträglich, weil es noch keinen Todesfall gegeben hatte und die Infizierten durch den „berühmten Saft“ (Artemisia-Tee) der Regierung geheilt wurden, aber man durfte nur bis zum Mittag hinausgehen.

Draussen muss man immer vorsichtig sein und die von der Regierung auferlegten Massnahmen respektieren: Tragen Sie eine Maske und respektieren Sie den Abstand von einem Meter, denn man weiss nie, wer die Überträger des Virus sind. Mein Unterricht verlief eigentlich gut, er dauerte ja nur einen halben Tag, es war schon fast Routine; aber um nach Hause zu kommen ist ein Problem, denn Rikschas und Tuc-Tucs (dreirädrige Vespa-Taxis) sind sehr selten unterwegs.

Madagaskar Corona: leben in der aktuellen Situation
Aber die Situation hat sich verschlechtert, weil immer mehr Menschen mit dem Virus infiziert wurden und es auch Tote gegeben hat. Deshalb hat der Staat Massnahmen zur völligen Absperrung von Tamatave ergriffen, d.h. keine Aus- und Einreise mehr, es ist verboten, das Gebiet zu verlassen. Das Leben begann ab diesem Moment hart zu werden, da es für die Bauern wegen der gesperrten Strasse schwierig war, ihre Produkte nach Tamatave zu bringen, so dass die Preise für Grundnahrungsmittel um mehr als 40% stiegen (Reis, Öl, Zucker, Gemüse…), Wegen dieser Sperren sind viele Menschen eingeschlossen, sie haben ihre Arbeit verloren oder sind „technisch arbeitslos“. Es ist traurig zu sehen, wie Menschen auf der Suche sind nach dem, was sie essen werden. Die meisten Menschen in Madagaskar leben von einem Tag auf den anderen, haben jetzt aber am Morgen Zeit, um ihr Essen zu suchen. Dem zufolge leben wir in Unsicherheit, weil die Menschen hungern, und seit dieser Krise gibt es jede Nacht mehr Einbrüche, und da ich allein lebe, ist es wirklich beängstigend, wenn es dunkel wird.

Gegenwärtig sind meine Ausgaben wegen des Anstiegs der Produkt- und Strompreise doppelt so hoch, aber was ich nicht mag ist, den ganzen Nachmittag zu Hause zu bleiben, ich mit meiner Katze, die auf die vier Wände schaut, das macht mich psychologisch verrückt. Aber zum Wohle aller müssen wir zu Hause bleiben und Geselligkeit vermeiden, auch wenn ich meine Freunde vermisse. Aber die Ironie dieser Enge besteht darin, dass der Staat Ordnungskräfte und Kommandos entsendet, als ob das Coronavirus ein Lebewesen wäre, das Angst vor Waffen hätte.

Madagaskar Corona: leben in der aktuellen Situation
Eine Sache, die ich in dieser Gefangenschaft gelernt habe, ist, dass die Madagassen egoistisch sind. Es stimmt, es gibt gute Menschen, die anderen helfen, aber auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die die Situation ausnutzen, sich die Taschen füllen und reich werden, indem sie die Preise der Produkte erhöhen, obwohl die Regierung dies verboten hat.

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Madagaskar: Corona in Tamatave

Corona in Tamatave

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Corona in Tamatave
GEFANGEN BEI MEINER FAMILIE

(2. Juni 2020) Das Corona-Virus hat die Welt heimgesucht, es ist ein Virus, das gefährlich ja sogar tödlich ist und die Welt in eine Gesundheits- und Wirtschaftskrise gestürzt hat.

Madagaskar gehört zu den von diesem Covid-19 Virus betroffenen Ländern, insbesondere in der Hauptstadt und anderen grossen Städten. Die Regierung hat Massnahmen ergriffen, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern, indem die meisten Städte abgeriegelt, Strassen gesperrt und der Schulbesuch eingestellt wurden.

Als meine Schwester und ich von diesen Massnahmen hörten, fuhren wir nach Hause zu unseren Eltern aufs Land, es ist ein ruhiges Dorf in der Nähe von Tamatave am Meer, aber doch weit weg von der Stadt und ausserdem ist es noch nicht vom Virus befallen. Also ist es beruhigender, dorthin zurückzugehen – es gibt ohnehin nichts Besseres, als in einer Zeit wie dieser bei der eigenen Familie zu sein. Am Anfang waren die Behörden weniger streng in Bezug auf die Vorschriften gegen dieses Virus, man konnte ohne Maske hingehen, wohin und wann immer man wollte, so dass alle weiterhin auf den Feldern arbeiteten und ihre üblichen Aufgaben erledigen konnten. Wenn meine Familie auf die Felder zur Arbeit geht, gehe ich meinerseits auch dorthin, um ihnen zu helfen. Aber bevor ich gehe, stehe ich am frühen Morgen mit meiner Mutter auf, um ihr beim Herstellen der Beignets zu helfen (mofo baolina und Bajia sind salzige Küchlein aus Bohnen), die meine Schwester dann auf dem Markt verkauft. Dank des Geldes, das sie einnimmt können wir essen oder Reis und Dinge für den täglichen Bedarf kaufen. Mit anderen Worten, dank dieser Beignets, die meine Mutter herstellt, verdient meine Familie ihren Lebensunterhalt.

Corona in Tamatave
Es ist wirklich eine Krise, denn die Dorfbewohner verdienen ihren Lebensunterhalt durch die Fischerei und durch die Erträge der Landwirtschaft. Leider sind die Strassen während dieser Gesundheitskrise gesperrt, so dass keine Käufer kommen, um die Fische zu kaufen. Kein Fischverkauf bedeutet kein Geld! Dazu kommt, dass noch nicht Reiserntezeit ist. Das Leben ist also wirklich hart. Auch können wir nicht alle unsere Beignets verkaufen, so dass wir das was wir noch haben, teilen müssen.

In einer Zeit wie dieser gibt es immer einige, die die Situation ausnutzen, um ihre eigenen Taschen ohne Skrupel zu füllen.  Die Preise der Grundnahrungsmittel wie Reis, Öl, Zucker, Kaffee…  sind um mehr als 30% gestiegen. Aber glücklicherweise erhielt ich Hilfe von einigen guten Menschen, damit kann ich meiner Familie helfen, indem ich Nahrungsmittel oder Dinge, die wir täglich brauchen, einkaufe.

Nach einiger Zeit wurden die Behörden immer strenger: An den Vormittagen lassen sie die Leute nach draussen gehen, aber nachmittags müssen alle zu Hause bleiben. Darum stehen meine Mutter und ich sehr früh auf, um die Beignets zu machen, denn wir müssen diese verkaufen, bevor die Leute aufs Feld gehen, denn jeder hat nur den Morgen, um seine Arbeit zu erledigen.

Jeden Nachmittag nutze ich die Zeit, um meine Schwester und meinen Bruder und seine Klassenkameraden zu unterrichten. Später sitze ich dann vor meinem Computer, um meinen Praktikumsbericht zu schreiben. Und jeden Abend schauen wir auf meinem Computer einen Film an. Ein Tag gleicht dem anderen während dieser Gefangenschaft.

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