Ein Maisfeld zieht nicht in den Krieg

PRIORI-Gründer und Chef Franz Stadelmann schreibt in der Rubrik ‚Denkzettel der Zeitschrift ‚Swiss Peace Supporter‘ zum Thema ‚Ein Maisfeld zieht nicht in den Krieg‘ (Dezember 2016)

Zeitschrift Swiss Peace Supporter Bericht Maisfeld zieht nicht in den Krieg

Denkzettel

Ein Maisfeld zieht nicht in den Krieg

Mein Studium finanzierte ich als Lastwagenfahrer auf der Orientroute. Meine erste Tour führte mich Mitte der 70er-Jahre nach Bagdad. Als gerade mal 20-jähriger beeindruckten mich Leute sowie Landschaft natürlich nachhaltig. Später dann arbeitete ich im Rahmen der Entwicklungs- und Katastrophenhilfe in vielen Krisenzonen, meist in Afrika. In Madagaskar fand ich meinen Ankerplatz.

Arbeitseinsätze in fremden Ländern, in unbekannter Umgebung, in ungewohnten Situationen bringen einen Erfahrungsschatz, der ermöglicht, Situationen in einer neuen Art einzuschätzen und auf sie zu reagieren. Ein Einsatz ändert auch die Sichtweise auf Länder, die wir ja oft als unstabil bezeichnen. Natürlich ist Friede Grundbedingung jeglicher Entwicklung, doch andauern wird er erst, wenn die Menschen vor Ort Stabilität haben und dies basiert auf Arbeit. Wo keine Jobs sind, gibt es keine Zukunft für die Menschen.

In Madagaskar gründete ich vor über 20 Jahren ein Unternehmen, um Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen. Arbeit für Menschen, die eine Zukunft haben wollen und die eine Familie ernähren müssen. Das Unternehmen ist inzwischen eine Reiseorganisation und gibt vielen Menschen vor Ort Arbeit. Denn auch Tourismus – sofern fair organisiert – kann einen Beitrag zur Stabilität leisten. Doch Tourismus ist ein sensibles Wesen, das vielen Schwankungen unterliegt. Daher genügt dieser Zweig allein natürlich nicht. Es müssten sehr viel mehr Arbeitsplätze in allen Branchen geschaffen werden, nicht nur in Madagaskar, sondern in ganz Afrika sowie in allen Krisengebieten dieser Welt. Es müsste Arbeit zu korrekten Bedingungen sein und nicht einfach eine Auslagerung in ein Billiglohnland. Arbeit ist ein Rohmaterial, das nicht allein nur über die Kostenschiene betrachtet werden sollte.

Auch eine herrliche Tropeninsel wie Madagaskar lebt nicht allein von Gottes Gnaden. Die 24 Millionen Menschen dürsten genau wie überall auf der Welt nach einem menschenwürdigen Leben, was längst nicht für alle gegeben ist.

In einem Agrarland kann nicht jeder ein Bauer sein und Land gibt es auch nicht für alle. Der explosive Bevölkerungszuwachs verlangt nach anderen Beschäftigungen. Arbeit ist normalerweise nicht Mangelware, aber korrekt bezahlte Arbeit schon. Alle bemühen sich auf ihre Art, um etwas Geld zu verdienen, oft mit mehreren Jobs gleichzeitig. Aber kaum einer kommt auf einen grünen Zweig.

Arbeit ist nicht nur das Produkt allein oder sein Preis. Arbeit bedeutet auch ein ganzes Geflecht an sozialen sowie ökonomischen Faktoren, die eine Gemeinschaft ausmachen. In Zeiten, wo Nachhaltigkeit zur Worthülse verkümmert und der Preis das alles überschattende Mass ist, in diesen Zeiten ist es schwer, für eine Umlenkung der Beschäftigungsströme zu plädieren. Wenn die Decke des Friedens über einer Landschaft liegen soll, dann muss sie mit den Wurzeln der arbeitenden Bevölkerung verankert sein. Ein afrikanisches Sprichwort sagt: ‘Ein Maisfeld zieht nicht in den Krieg.’

Franz Stadelmann
Ethnologe und Reiseorganisator

www.madagaskarhaus.ch

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